Unsere Anfänge…[GAZ]

„Damit ist die Auszählung für Listenplatz 1 abgeschossen. Mit einer Stimme Vorsprung ist Nino auf Listenplatz 1 gewählt!“. Susanne Bayerlein legt die ausgezählten Stimmzettel zur Seite und lächelt. Mein Herausforderer Flo Schramm kommt mit seinem verschmitzten Grinsen auf mich zu, umarmte mich und gratulierte mir mit einem ‘Glückwunsch, Erster!’

 

Es ist der 29.03.2009 und die Jungen Gerlinger sind kurz davor ihre erste Wahlliste für den Gerlinger Gemeinderat aufzustellen.

Gründe gibt es viele: Der Rathausplatz wurde vor kurzem für mehrere Millionen renoviert, während die Schulen auf ihre dringend notwendige Sanierung warten müssen. Das Durchschnittsalter im Gemeinderat liegt bei über 60 Jahren. Zudem gibt es Schimmelprobleme im Jugendhaus…

 

Blicke ich heute auf mein 24-Jähriges Ich, habe ich den Impuls ihm zuzurufen: „Lauf! Du weißt nicht, was als Einzelkämpfer im Gemeinderat auf dich zukommt!“

Wahrlich sind „Lehrjahre keine Herrenjahre“ und so setzte ich mich in den nächsten fünf Jahren ohne Stimm- und Rederecht in die zweite Reihe, wenn die beschließenden Ausschüsse (Technischer Ausschuss, Finanzausschuss, Sozialausschuss) tagten. Ich machte mir fleißig Notizen und versuchte die öffentliche Beschlussfindung im monatlichen Gemeinderat noch irgendwie zu beeinflussen.

Nicht immer mit dem richtigen politischen Fingerspitzengefühl provozierte ich beispielsweise in einer öffentlichen Sitzung und suggerierte Vetternwirtschaft, da ein Planungsbüro den gleichen Nachnamen wie ein Mitglied des Gemeinderats trug.

 

In dieser Zeit habe ich jedoch enorm viel gelernt: über die Arbeit im Gemeinderat, über mich selbst und darüber, wie ich meinen politischen Stil entwickeln kann, um Menschen erfolgreich von der Meinung der Jungen Gerlinger zu überzeugen.

Denn heute, wie damals, gilt: Für jeden Gemeinderat der Jungen Gerlinger engagieren sich mindestens fünf junge bzw. junge Gebliebene Gerlinger, die sich regelmäßig zu Ressorttreffen treffen, um Sitzungsvorlagen zu diskutieren und einzuordnen.

 

Diese Arbeit hat Erfolg: 2014 stellten die Junge Gerlinger erstmals eine vollständige Liste für die Gemeinderatswahl auf und zogen mit drei Stadträten in den Gerlingen Gemeinderat ein. Endlich Fraktionsstärke!

Ein Besprechungsraum für vorbereitende Diskussionen, ein Sitz mit Stimmrecht in allen beschließenden Ausschüssen und vor allem: drei einflussreiche Stimmen, die die Abstimmungen im Gemeinderat spannend gestaltet haben.

 

Ich habe die Legislaturperiode 2014-2019 sehr positiv in Erinnerung. Der Politikstil im Gemeinderat Gerlingen hatte sich über alle Fraktionen hinweg deutlich verbessert. Wo sich zuvor Einzelpersonen einen verbalen Nahkampf lieferten, entwickelte sich ein respektvoller Umgang und eine konstruktive, fraktionsübergreifende Entscheidungsfindung.

 

Natürlich nicht ganz ohne Provokationen – für meine Bewertung des geplanten Neubaus am Gerlinger Stadtmuseum als „Mahnmal der Dekadenz“ erhielt ich eine persönliche Rüge von unserem ehemaligen Bürgermeister Georg Brenner. Dieses Feedback beeinflusste jedoch nicht unsere persönliche Beziehung. Hier verweise ich gerne auf unseren gemeinsamen Podcast mit Georg Brenner.

 

Wir haben einiges gemeinsam erreicht: Neben der Renovierung der Schulen wurde beispielsweise eine städtische Wohnung zu einer Wohngemeinschaft umgewandelt, um zumindest ein Stück weit dem Problem entgegenzuwirken, dass Gerlinger Jugendliche nach dem Auszug aus dem Elternhaus gezwungen sind wegzuziehen, da sie keine bezahlbaren Wohnungen finden.

 

Auf die aktuelle Legislaturperiode 2019-2024 kann ich nur stolz sein. Judith Stürmer, Dennis Uhl, Lukas Kuntz und Manuel Reichert haben die Arbeitsweise der Jungen Gerlinger noch professioneller gestaltet und einen großartigen Job geleistet. Sie genießen den Respekt der Stadtverwaltung und der anderen Fraktionen, ohne dabei ihre Streitbarkeit zu verlieren.

 

Ich möchte mich herzlich für das entgegengebrachte Vertrauen der letzten 15 Jahre bedanken und verspreche, dass das die Jungen Gerlinger auch in den nächsten 5 Jahren Gemeinderatssitzungen gewissenhaft vorbereiten, den Blick auf das Wesentliche behalten, eine nachhaltige Haushaltspolitik gestalten und sich für ein farbenfrohes, lebenswertes Gerlingen für Jung und Alt einsetzen werden.

 

Nino Niechziol

Stadtrat 2009-2014